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Frauenkampftag

Ob sichtbar oder unsichtbar – Gewalt gegen Frauen bekämpfen!

Gewalt gegen Frauen ist alltäglich und überall zu beobachten. Sie manifestiert sich in den unterschiedlichsten Formen – deshalb gehen wir auch dieses Jahr wieder am Frauenkampftag auf die Straße und sind laut!

Die Pandemie hat all die Missstände verstärkt, denen Frauen sowieso schon seit eh und je ausgesetzt sind. Sie erleben psychische und physische Gewalt – sei es im öffentlichen Raum oder in den eigenen vier Wänden, sei sie sichtbar oder unsichtbar. Mit der Pandemie und der Einschränkung des öffentlichen Lebens wurden Frauen besonders in private Räume zurückgedrängt und die Gewalt, die sie erfahren, wurde umso unsichtbarer. Das Zuhause ist für zu viele Frauen kein Schutzraum. Femizide, also Morde an und Tötungen von Frauen, sind in Deutschland und überall auf der Welt grausamer Alltag. Erreichbarkeit von Beratungs- und Hilfsangeboten für betroffene Frauen war und ist in Teilen noch immer durch das Pandemiegeschehen eingeschränkt.

Doch die erlebte Gewalt ist auch finanzieller Natur. Wenn Frauen prekären Arbeitsverhältnissen, wie schlechter Bezahlung und unwürdigen Arbeitsbedingungen, ausgesetzt sind, dann ist das eine Manifestation der Gewalt an Frauen. Während der Pandemie zeigte sich das besonders in frauendominierten Branchen wie der Pflege, dem Einzelhandel und der Reinigung. Ein weiteres strukturelles Problem zeigt sich darin, dass diese Berufe überproportional oft von Frauen mit Rassismuserfahrungen ausgeübt werden.

In Kombination mit der unbezahlten Sorge- und Haushaltsarbeit, die noch immer als „Frauenarbeit“ gilt, ergibt sich eine Doppelt- und Dreifachbelastung, die zwangsläufig der mentalen und körperlichen Gesundheit von Frauen schadet.

Auch sexuelle und sexualisierte Gewalt ist weit verbreitet. Diese zeigt sich in privaten Beziehungen oder auf der Straße. Catcalling und sexuelle Belästigung sind strukturelle gesellschaftliche Probleme, die entnormalisiert werden müssen. Die Täter gehören zur Verantwortung gezogen und die Betroffenen gehört! Außerdem gehört sexuelle Gewalt zur beruflichen Realität vieler Frauen in der Prostitution. Auch hier sind besonders oft Frauen mit Rassismuserfahrungen und Behinderungen betroffen. Doch auch die Aberkennung der sexuellen Selbstbestimmung schränkt Frauen in ihrem alltäglichen Leben ein. Sei es durch die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen oder die Tabuisierung der weiblichen Sexualität.

Wir haben es satt. Der deutsche Staat ist nicht am Schutz von Frauen und der Bekämpfung der Gewaltquellen interessiert. Sowohl die staatliche Krisenpolitik als auch das Erstarken rechter Kräfte bedrohen die bereits erkämpften Frauenrechte. Der patriarchale Backlash trifft in ganz besonderer Weise Transfrauen und Menschen, die sich nicht in heteronormative Konzepte zwingen lassen wollen. Diese Verhältnisse dürfen wir weder jetzt noch in Zukunft hinnehmen. Wir fordern sofortige Maßnahmen, um diese katastrophale Situation zu verbessern: Höhere Löhne für Pflegeberufe; umfangreiche, staatlich finanzierte Kinderbetreuung nach der Pandemie; höhere Investitionen in Frauenhäuser und Nothilfen. Sorge- und Pflegearbeit müssen gesamtgesellschaftliche Verantwortung sein! Wir kämpfen aber auch für grundlegende Veränderungen: für einen gesellschaftlichen und kulturellen Wandel, weg von Patriarchat und kapitalistischer Ausbeutung und hin zu einer befreiten Gesellschaft der Geschlechtergerechtigkeit – nicht nur in Deutschland, sondern überall auf der Welt!

Gegen jede Form der Ungleichheit, Unterdrückung und Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, sexueller Orientierung und Identität, körperlicher und geistiger Bedingungen

Schließt euch uns also an, wenn auch ihr auf diese Missstände aufmerksam machen und sie bekämpfen wollt!

Das Frauenkampftagsbündnis Heidelberg wird unterstützt von:

  • Sozialistische Jugend Deutschland – Die Falken Heidelberg
  • AIHD/iL
  • Netzwerk Care Revolution Rhein Neckar
  • EVA Heidelberg e.V.
  • Chancen gestalten Heidelberg e.V.
  • Akut + C / Interventionistische Linke Heidelberg 
  • ISO Rhein-Neckar (Internationale Sozialistische Organisation)
  • Catcallsofhd

Die Hörbarkeit von uns Frauen

Rede zum Frauenkampftag 2020

In unserer Rede vom Feministischen Bündnis Heidelberg geht es um Hörbarkeit. Wir müssen heute gemeinsam über etwas reden, bei dem die Leute normalerweise entsetzt abwinken. Es betrifft Geschichten, die flauschig beginnen, z.B. so: Peter lernt Bea auf der Weihnachtsfeierei in der Kantine kennen. Weils so prickelt und auch weils so normal ist sind die beiden ganz bald ein händchenhaltendes Paar, das mit anderen Paaren gemeinsam zu Mario Barth lacht und zum Fußball jubelt. Der Alltag ist dröge, die Kinder so anstrengend: Der Frust wächst. Und die Bea putzt nicht wie Peter es will, schweigt nicht, wenn Peter will, vögelt nicht wie Peter will. Das alles macht ihn ärgerlich. Als er noch vom Boss gezeigt bekommt wie jämmerlich er unterlegen ist platzt ihm der Kragen. Regelmäßig rutscht Peter deshalb die Hand aus. Die sich steigernde Gewalt fing mit Beleidigungen und verbaler Erniedrigung an – und gipfelte in Würgen, Schlagen, treten und Vergewaltigung. Peter denkt er hat das Recht in seinem Hause zu walten wie er will, schließlich ist er der Familienvorstand. Als sie sich schließlich trennen will, beschließt er sich und sein Eigentum zu töten.

Diese Geschichte widerholt sich. Immer und immer wieder erzählen Frauen Teile dieser Geschichte – die darauffolgende Täter-Opfer Umkehr und die Ignoranz bringen sie dazu sich dafür zu schämen. Wer sich schämt, hört auf zu reden. Peter findet das gut! Er kann nämlich weiter Gewalt ausüben, weil die Frauen sich schämen, weil sie zum Schweigen gebracht werden – Diejenigen, die sich weigern zuzuhören und dagegen vorzugehen machen sich schuldig, weil sie Peter möglich machen.

Letztens hat mir eine Mitfrau von einem durchaus programmatischen Beispiel aus dem patriarchalen Haufen Justiz erzählt. Ein Mädchen sagt aus, es würde vom Vater missbraucht. Der Richter stürmt auf es zu, baut sich auf, beugt sich über es, hebt väterlich-strafend den Zeigefinger und befielt dem Kind die Wahrheit zu sagen, denn es wisse schließlich, dass so eine „Unterstellung“ das Leben des Angeklagten zerstören könne. Das Mädchen, dessen Leben zerstört wurde, schweigt daraufhin. Speechless terror wird es genannt, wenn Personen aufhören zu sprechen, weil sie etwas Lebensbedrohliches erlebt haben. Es bezeichnet die Blockade des Sprachzentrums, wenn die Bilder des Übergriffs als Flashbacks zurückkehren, Trigger um Trigger. Diese Gesellschaft produziert speechless terror, und das systematisch. Peter bedankt sich für die tatkräftige Unterstützung.

Terror, der zur Sprachlosigkeit führt, herrscht im öffentlichen Diskurs, in der Art wie Männer mit und vor allem über Frauen sprechen. Diese Männer, die sich genüsslich seitenweise darin ergehen wie genau sie gerne Frau Thunberg, Frau Rackete oder Frau Neubauer vergewaltigen würden haben im Grunde wahnsinnig große Angst um ihren Status. Ihre von Sexismus deformierten Hirne senden immer wieder quälende Angstsignale, wenn sie mutige, schlaue, unabhängige Frauen in der Öffentlichkeit Sehen und Hören. Dass Frauen wie Thunberg, Neubauer und Rackete mit den vergangenen Frauenbewegungen gelernt haben sich vom Mann zu distanzieren macht ihn rasend. Sie und viele andere Frauen lassen sich nämlich nicht mehr den Mund verbieten. Und dann sind sie auch noch so ungefällig wie nur geht: Sie lächeln nicht als gäbe es was zum Lachen, sie kleiden sich nicht sexy als wären sie vor allem ein zu betrachtendes Objekt das nur die männliche Großartigkeit spiegelt.

Jede vierte Frau hat männliche Gewalt erlebt, jeden dritten Tag wird eine Frau vom Mann oder Vater an ihrer Seite getötet. Wenn Frauen von Taten berichten herrscht Verrat durch Ignoranz – uns Frauen bleibt daher nichts übrig als uns zusammenzuschließen und nach den Wurzeln dieses Grauens zu suchen. Uns geht’s dabei nicht ums Rumjammern – sondern ums Zurückschlagen.

Dass Männer zu Tätern werden und Frauen zu sprachlosen Unterlegenen liegt in der Sozialisation – und das ist eine gute Nachricht. Man wird nicht als Vergewaltiger geboren – man wird dazu gemacht. Geschlechtsspezifische Sozialisation sorgt dafür, dass Mädchen nicht lernen Grenzen zu ziehen und eigene Bedürfnisse auszusprechen und durchzusetzen: Sie lernen angepasst und fügsam zu sein, die Schuld auf ihrer Seite zu suchen. Jungs hingegen lernen in der Konkurrenz zu anderen Jungs Dominanz und Durchsetzungsfähigkeit: Sie lernen über die Grenzen von Mädchen zu gehen und sie als „ihre“ Freundin später zu dominieren. Der patriarchale Kopf denkt er besäße Rechte an Frau und Kind – auch das Recht sie zu bestrafen. Weibliche Aggression richtet sich gegen sich selbst, z.B. in Hunger, Rückzug und der Wahl eines gewaltvollen Partners. Männliche Aggression richtet sich nach außen – oft gegen die Frau, die am nächsten steht. Da diese Art von Gewalt das Geschlecht betrifft – äußert sie sich oft in sexualisierten Übergriffen als Unterwerfung. Unter dem Vergrößerungsglas ist das sichtbar in der Prostitution: Männliche Gewalt ist hier abgesichert durch den im Kapitalismus als legitim anerkannten Bezahlvorgang. Die softe Vergewaltigung ist als Porno allgegenwärtig und verknüpft in unserem Gefühlsleben Lust mit Gewalt gegen Frauen. Kapitalismus als Männerherrschaft lässt uns das alles gleichmütig hinnehmen, weil es uns als natürlich vorkommt.

In den 70ern galt es noch als selbstverständlich Privates politisch zu nennen. Heute passiert dasselbe, wie damals vor dem feministischen Kampf um Sichtbar- und Hörbarkeit. Strukturen werden geleugnet, Systematisches wird als tragischer Einzelfall abgetan. Keinerlei Interesse sich mit patriarchalen Strukturen auseinander zu setzen! Wir sollten trauern um die Frauen, die vor den Toren des Frauenhauses abgewiesen wurden, weil sie zu schützen dem Staat schlicht zu teuer ist. Sie hätten vor dem Ehemann, der sie tötete, geschützt werden können – nun sind sie erschlagen, erstochen, erwürgt Teil eines riesigen Grabes auf dem geschrieben steht: „Wenn wir nicht hinschauen, ist es nicht wahr – und außerdem sind Männer schon längst die unterdrückte Gruppe“.

Aber: Solange Vergewaltigung noch nicht schamfrei laut und deutlich ausgesprochen werden kann – solange Personen schon beim Klang zusammenzucken stehen wir Frauen hier und schreien es ihnen entgegen. Denn wer nichts von Vergewaltigungen hören will – der stellt sich auf die Seite des Vergewaltigers, er ist die Vergewaltigung durch Unterlassen.

Wir Frauen fordern daher die Erhebung von Daten, die das volle Ausmaß der Gewalt sichtbar machen. Wir fordern die Einhaltung der Istanbul Konvention, nach der jede Frau ein Recht auf Schutz im Frauenhaus hat. Wenn das Morden ein Ende haben soll, müssen unbedingt Mittel in Frauen- und Männerarbeit gesteckt werden. Kein Mann muss Vergewaltiger sein – aber die gesellschaftliche Verdrängung des Themas schafft vergewaltigende Männer. Deshalb fordern wir, dass sich an Schulen und Universitäten in Lehre und Forschung mit Männlichkeit und Weiblichkeit und der damit verbundenen Herrschaft auseinandergesetzt wird. Und wir fordern das nordische Modell als Sexkaufverbot um den Freier als Täter zu verhindern und die Gewalt, die dort passiert, zu vermindern.

Wir als Feministisches Bündnis Heidelberg möchten ein Fazit ziehen: Vielleicht wird es die Peters noch lange geben, aber wenn wir das Geschlechterverhältnis erklären, die Familie überdenken und Alternativen zum männerdominierten Kapitalismus finden dann werden es viel weniger Peters sein und eine freie und solidarische Welt ist möglich.

Frauen*kampftag 08. März 2020

Jeden Tag versucht ein Mann* seine Partnerin zu töten – jeden dritten Tag gelingt es. Häusliche und sexualisierte Gewalt sind für Frauen* tägliche Realität. Sie begleiten uns in der ängstlichen, bevormundenden Bitte der Mutter, nicht alleine nach Hause zu gehen, sie warten in unseren engsten Beziehungen zu Vater oder (Ex-) Partner. Jede vierte Frau* wurde in ihrem Leben Opfer von männlicher Gewalt. Da der Staat es unterlässt, wichtige Daten zu sammeln, sind wir auf #Aufschrei und #MeToo angewiesen, die uns Frauen* gegenseitig zeigen, dass die Gewalt, die wir erfahren, System hat: Ihr Ursprung ist das Geschlechterverhältnis.
Das Geschlechterverhältnis hat viele Gesichter – es zeigt sich in der Ohrfeige im Streit, im übergriffigen Anbaggern im Club, im lustvoll dargestellten Missbrauch im Porno. Bordelle sind voller Frauen* in finanzieller Not und Männer, die dort ihren Frust wegvögeln. Auf den #Aufschrei folgt jedoch immer das gleiche Echo: Das war halt Pech – und war dein Rock nicht auch ziemlich kurz? Wenn Frauen die gewaltvollen Zustände skandalisieren, werden Zusammenhänge geleugnet und Opfer verraten. Nach dem Motto „sei doch mal locker, verstehst du denn gar keinen Spaß?“ wird Gewalt von Männern* an Frauen* verharmlost und als individuelles Schicksal dargestellt.
Vater Staat leistet dabei auch fleißig Beihilfe zum Mord an Frauen. Jede zweite Frau, die aus Angst um ihr Leben um einen Frauenhausplatz bittet, wird wegen fehlender Finanzierung abgewiesen. Die Zahl der Femizide ist auch deshalb so hoch, weil die schwarze Null als schützenswerter erachtet wird als das Leben dieser Frauen. Mit der Erklärung, die traditionelle Familie schützen zu wollen, wird österreichischen Frauenhäusern momentan die staatliche Finanzierung entzogen. Dies bedeutet für uns, dass ein Kampf gegen Patriarchat und Sexismus immer auch ein Kampf gegen konservative, religiöse und rechtsradikale Bewegung ist. Jeden dritten Tag wird eine Frau vom Mann* an ihrer Seite ermordet. Wir wollen anlässlich des Frauenkampftages am 08.03. den Finger in die Wunde legen: Wir erheben die Stimme, um die Zustände, die zu dieser täglichen Gewalt führen, aufzuzeigen. Sie steckt in der künstlich erzeugten Trennung der Geschlechter, in der Aufteilung von Arbeit, im traditionellen Arrangement der Familie – insgesamt in der sexistischen Idee, dass Frauen* anders und minderwertig sind.
Kommt vorbei zur Kundgebung am 03.08. um 14:30 Uhr am Bismarckplatz und lasst uns gemeinsam kämpfen gegen Patriarchat und Sexismus!