Auf dieser Seite findet ihr Informationen zur Tagung „Erregender Frauenhass – Eine Kritik der Pornografie“ am 27. und 28. 04. 2024 in Heidelberg. Die Tagung wird finanziert von der verfassten Studierendenschaft der PH Heidelberg.
Die Tagung kritisiert die Mainstreampornografie aus einer feministisch-materialistischen Perspektive und verurteilt sie als misogyn. Neben einer generellen Einordnung des Phänomens Pornografie in den gesamt-gesellschaftlichen Kontext – den patriarchalen Kapitalismus – wird die Tagung über Auswirkungen von Pornokonsum auf Sexualität und die menschliche Psyche sowie über Rückwirkungen auf das Geschlechterverhältnis informieren.
Hierbei wird im Besonderen der Aspekt der ständigen Verfügbarkeit von Pornografie im digitalen Zeitalter, sowie auch neuere Erscheinungsformen, wie Onlyfans, thematisiert werden. Im Anschluss an die feministische Kritik sollen (gemeinsam) Wege und Möglichkeiten für eine gelungene und emanzipatorische Darstellung von Sexualität diskutiert werden.
Programm Samstag:
14.00 Uhr – Einführende Gedanken zu Pornografie (Sophie – Ehemalige Prostituierte und Pornodarstellerin)
Die Haltung zur Pornografie ist für Feministinnen verschiedener Couleur ein richtungsweisendes Moment. Ihre Befürwortung oder Kritik gibt darüber Auskunft, welche Art der Darstellung von Weiblichkeit zur persönlichen Identifikationsfigur wird und entweder Argwohn oder Sympathie erzeugt. Doch wie genau wird die Frau im Porno dargestellt (oder phantasiert) und wie hat sich die typische Darstellung in den letzten Jahrzehnten differenziert und verändert? Welche Motive und Bedürfnisse haben Konsumenten und Darsteller? Welche Faktoren sind es, die sowohl Konsumenten und vor allem Darstellerinnen trotz Negativfolgen an die Pornografie binden?
Auch wenn es für diese Fragen keine erschöpfenden Antworten geben mag, so sollen einerseits der Alltag in der Pornoindustrie und ihre Entwicklung aufgezeigt und andererseits psychologische Motive für Konsum und Produktion von Pornos mittels psychoanalytischer Konzepte seziert werden.
16.30 Uhr – Pornografie, Gewalt und die heterosexuelle Beziehung (Hanna Vatter)
Gerade seit dem Coronalockdown boomt die Pornografieindustrie und sorgt für die tendenzielle Verlagerung von Prostitution ins Digitale. Insbesondere für Profiteure der Prostitutions-Pornografieindustrie – etwa Zuhälter, Menschenhändler:innen, sich am Missbrauch beteiligende „Darsteller“, Betreiber von Pornografieplattformen und Konsument:innen – ist das eine sehr gute Nachricht. Denn auch aufgrund der besonderen Dynamik des Digitalen sind hier Phänomene unreguliert, die im Analogen verboten oder geächtet sind. Zu nennen ist dabei etwa der Straftatbestand der Zuhälterei und des Menschenhandels. Wenn es um die digitale Vermarktung des weiblichen Körpers geht, dann wird der Zuhälter zum „Partner“ oder „Manager“, aus Frau/Person in der Prostitution „Content Creator“. Die hinter diesen Positionen stehenden Herrschafts- und Gewaltverhältnisse werden dabei entnannt. Diese Digitalisierung des sexuellen Genusses betrifft den weiblichen Körper nämlich in anderer Form als den männlichen. Im Vortrag wollen wir uns die aktuellen heteronormativen Beziehungsdynamiken anschauen, die zu dieser Digitalisierung von Sexualität in misogynen Gesellschaften führen. Männlichkeit wohnt nach wie vor ein innerer Zwang zur Überlegenheit inne, der durch die Unterwerfung von (deklassierten) Frauenkörpern befriedigt wird. Ein Beispiel genau dieser Verbindung Männlichkeit – Beziehung – misogyne Unterwerfung ist „Champlife“: hier lernen junge Männer von anderen jungen Männern in Coachings, wie sie „ihre“ Freundin zur digitalen Prostitution drängen und den durch sie erwirtschafteten Lohn enteignen können. Im Vortrag wird es um dem „OnlyFans“ und „Champlife“ zugrundeliegenden Komplex Geschlecht und Kommodifizierung des sexuellen Genusses gehen und warum dieser Ausdruck der aktuellen Misogynie ist.
19.00 Uhr – Sexuelle Gewalt und kapitalistisches Patriarchat (Koschka Linkerhand)
Auf vielen feministischen Feldern – in Aktivismus, Politik und sozialer Arbeit – hat der Begriff der sexualisierten Gewalt den der sexuellen Gewalt abgelöst. Damit rückt die Gewalt in den Vordergrund, während Sexualität instrumentell oder als Rechtfertigung für Übergriffe verstanden wird. Doch Gewalt in der einen oder anderen Form zieht sich durch unser aller sexuelle Geschichte – wobei im kapitalistischen Patriarchat zumeist Männer Täter werden. Im Vortrag möchte ich darstellen, dass die gewaltförmige Sexualität eng mit der Gesellschaft verknüpft ist, in der wir leben. Welche emanzipatorischen und lustvollen Auswege gibt es daraus? (Wann) macht es Sinn, zwischen guter und schlechter Sexualität zu unterscheiden?
ab 21.00 Uhr – Cocktails und Longdrinks
Programm Sonntag:
10.00 Uhr – feministisches Frühstück
12.00 Uhr – Studienlage zur Auswirkung von Pornokonsum auf Kinder und Jugendliche
12.00 Uhr – Pornografie und sexuelle Gewalt – Wechselwirkungen und Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche (Tabea Freitag)
Pornografie transportiert Täterbotschaften und trägt zur Verrohung von Männern bei. Allerdings ist sie bei Erwachsenen und Jugendlichen beliebt und gilt heutzutage sogar als normal. Besonders bei Kindern und Jugendlichen hat der Konsum von Pornografie gravierende, psychische Folgen.
Durch die leichte Verfügbarkeit (Smartphone) haben inzwischen 94 % der 14-17-jährigen Jungen und 67 % der Mädchen Pornos im Internet gesehen. Zwei Drittel der jugendlichen wie erwachsenen Männer konsumieren täglich bis mehrmals wöchentlich. Je früher der Erstkontakt von Kindern mit Pornografie, umso häufiger suchen sie als Teenager aktiv Gewaltpornografie zur eigenen Befriedigung. 47 % der 16-21-jährigen Teenager (m/w) glauben entsprechend, dass Mädchen Gewalt beim Sex erwarten, ebenso viele haben bis 18 Jahre bereits Gewalt beim Sex erlebt. Die Wechselwirkungen zwischen Pornografie und sexueller Gewalt an Frauen sind vielfältig. Warum werden sie dennoch toleriert, beschönigt oder verschwiegen?
Die Psychologin und Expertin für Mediensucht Tabea Freitag wird auf diese Frage eine Antwort geben, sowie präventive Ansätze skizzieren
14.30 Uhr – Leerstelle Pornografiekritik oder: Whatever happened to feminism? (Mona Schäck)
Pornografiekritik gilt heute unter Linken als hip, ja sogar als empowerned, sobald auch nur ein Schein von Freiwilligkeit vermutet werden kann.
Diese angeblich sexpositive Haltung führte zur Produktion und zu vermehrtem Konsum von sogenannten feministischen Pornos. Diese feministischen Pornos bleiben selbst nicht nur fragwürdig, die Idee der feministischen Pornografie scheint auch die Kritik der (Mainstream-) Pornografie aus dem Feminismus zu drängen.
In dem Vortrag werden die Hintergründe des sogenannten sexpositiven Feminismus erläutert und in einem zweiten Schritt radikal kritisiert.
Dabei plädiert Mona Schäck keineswegs für eine Rückkehr zur Por-No Bewegung der 80er Jahre, sondern für eine neue, radikale Pornografiekritik.