Am 28. September ist Safe-Abortion-Day!

In diesem Jahr wurde mit der Streichung des § 219a aus dem Strafgesetzbuch ein wichtiger Meilenstein für die Frauenbewegung erkämpft. Der Paragraf verbot faktisch die Information über Schwangerschaftsabbrüche durch ÄrztInnen – seine Abschaffung war lange überfällig. Und für uns ist klar: Das reicht noch lange nicht!

Noch immer ist Abtreiben nur bis zur 12. Schwangerschaftswoche gestattet, noch immer müssen sich ungewollt Schwangere einer Zwangsberatung unterziehen, noch immer bedeuten Abtreibungen einen massiven Zeit- und insbesondere Kostenaufwand (350-600€) für die ungewollt schwangere Frau – denn die Abtreibung muss im Regelfall aus eigener Tasche bezahlt werden, ÄrztInnen, die den Eingriff durchführen, sind rar und meist weit entfernt, eine Freistellung von der Arbeit gibt es für den Tag des Eingriffs nicht. In vielen Fällen muss der umständlich gemachte Abbruch aufgrund gesellschaftlicher Stigmata heimlich stattfinden.

Uns Frauen wird es noch immer mutwillig erschwert bis verunmöglicht, Abtreibungen vornehmen zu lassen: Deutschland ist noch weit davon entfernt, Schwangerschaftsabbrüche als selbstverständlichen Ausdruck der weiblichen körperlichen und sexuellen Selbstbestimmung zu begreifen. Im Gegenteil zeichnet sich ein starker Rückgang der praktizierenden ÄrztInnen ab, denn Schwangerschaftsabbrüche werden nicht im Medizinstudium gelehrt – der Eingriff wird nur „freiwillig“ erlernt und durchgeführt. Obendrein sind diese ÄrztInnen stetigem Terror durch AbtreibungsgegnerInnen ausgesetzt und wurden bis vor Kurzem über den § 219a StGB vom patriarchalen Staat mit Geldstrafen bedroht. Für die Verbesserung der Situation tut die Regierung rein gar nichts.

Schwangerschaftsabbrüche gelten im Strafgesetzbuch als „Straftaten gegen das Leben“, bedeuten einen massiven Kostenaufwand und dürfen nur unter den strengen, willkürlichen Regeln des patriarchalen Staates durchgeführt werden. Von einer selbstbestimmten, freien Entscheidung für oder gegen eine Schwangerschaft kann keine Rede sein.

Wir fordern daher: Die völlige Streichung der Abtreibungsparagraphen (§§ 218-219b) aus dem Strafgesetzbuch und eine außerstrafrechtliche Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen! Bedingungslose Übernahme der Kosten für den Eingriff durch den Staat! Schwangerschaftsabbrüche als Teil des Medizinstudiums und eine flächendeckende Sicherstellung von Abtreibungsangeboten!

Kommt am 28. September mit uns auf die Straße, um unseren Forderungen Gehör zu verschaffen! Wir sehen uns um 16:30 Uhr auf dem Marktplatz!

Macht auch ihr mit am Bundesweiten Aktionstag!!

Rede zum Safe Abortion Day

Wie jedes Jahr müssen wir auch heute wieder hier stehen und für unserer Recht auf freie
Abtreibung kämpfen. Häufig vergessen wir jedoch in unserem feministischen Kampf, dass die
Grundlage für diese Abtreibungsregelung gesellschaftlich und dadurch kapitalistisch bedingt ist.
Die Unterdrückung der Frau ist ein fundamentaler Bestandteil kapitalistischer Produktionsweise
und uns muss klar werden, dass wir die so oft geforderte Selbstbestimmung nicht in diesem
System erlangen werden. Wir müssen endlich anfangen den Feminismus materialistisch zu
denken! Doch was heißt das Konkret? Kurt Tucholsky schrieb 1931 den Text: „Die Leibesfrucht
spricht“.
„Für mich sorgen sie alle: Kirche, Staat, Ärzte und Richter.
Ich soll wachsen und gedeihen; ich soll neun Monate schlummern; ich soll es mir gut sein lassen –
sie wünschen mir alles Gute. Sie behüten mich. Sie wachen über mich. Gnade Gott, wenn meine
Eltern mir etwas antun; dann sind sie alle da. Wer mich anrührt, wird bestraft: meine Mutter fliegt
ins Gefängnis, mein Vater hintennach; der Arzt, der es getan hat, muß aufhören, Arzt zu sein; die
Hebamme, die geholfen hat, wird eingesperrt – ich bin eine kostbare Sache.
Für mich sorgen sie alle: Kirche, Staat, Ärzte und Richter.
Neun Monate lang.
Wenn aber diese neun Monate vorbei sind, dann muß ich sehn, wie ich weiterkomme.
Die Tuberkulose? Kein Arzt hilft mir. Nichts zu essen? keine Milch? – kein Staat hilft mir. Qual und
Seelennot? Die Kirche tröstet mich, aber davon werde ich nicht satt. Und ich habe nichts zu
brechen und zu beißen, und stehle ich: gleich ist ein Richter da und setzt mich fest.
Fünfzig Lebensjahre wird sich niemand um mich kümmern, niemand. Da muß ich mir selbst
helfen.
Neun Monate lang bringen sie sich um, wenn mich einer umbringen will.
Sagt selbst:
Ist das nicht eine merkwürdige Fürsorge –?“
Natürlich müssen heute die wenigsten Frauen nach einer Abtreibung ins Gefängnis, noch muss
ein unerwünschtes Kind im Regelfall verhungern.
Dennoch zeigt sich die Aktualität des Textes auch heute noch. Abtreibungsgegner sprechen
immer noch von der „Menschenwürde“ des ungeborenen Lebens, unterschlagen jedoch die
Würde des geboren Lebens , die Würde der Frau. Und sie stehen damit nicht alleine da, es ist im
Kapitalismus gesellschaftlicher Konsens, dass die Menschlichkeit der Frau negiert werden muss.
Wo ist die Würde der Frau, wenn die Gesellschaft ihr vorschreiben kann, dass sie Mutter sein
muss. Wo ist die Würde der Frau, wenn ihr nackter und entstellter Körper auf einem Sticker mit
der Aufschrift zwischen ihren Beinen „Männerparkplatz: Steile berge feuchte Täler“ prangt; Wo ist
die Würde der Frau, wenn sie keine zwei Meter alleine durch die Straßen laufen kann, ohne ein Teil
einer widerlichen Fantasie von Männern zu werden.
Die Ausbeutung der Frau stellt einen Grundpfeiler des Kapitalismus dar, ob durch Care-Arbeit
oder Gebärmaschine missbraucht, der weibliche Körper wird in jeder Lebenslage für die
Mehrwertproduktion nutzbar gemacht. Die Mehrwertproduktion, also das durch die Ausbeutung
aller Arbeiter geschaffene Mehrgeld ist zentraler Bestandteil des Kapitalismus.
Im gesellschaftlichen Diskurs ist die Frau per Natur aus das schwächere Geschlecht.
Es wird behauptet sie könne während ihrer Periode nicht klar denken, sei hysterisch und zu
emotional; und damit unfähig einer Verantwortung.
Nicht nur ist sie unfähig Verantwortung über ihr ungeborenes Kind zu haben, nein ihr wird
zusätzlich die Verantwortung über ihren eigenen Körper abgesprochen.
Diese Form der Unterdrückung ist in vielerlei Weisen durch das System des Kapitalismus bedingt.
Zum Ersten ist es Im Kapitalismus von Nöten, ein rationales, allseitsbereites Subjekt zu sein um
arbeitsfähig zu bleiben. Also müssen Eigenschaften, die den arbeitenden Menschen davon
abhalten in diesem System zu funktionieren abgespalten werden. Diese Eigenschaften, wie
Emotionalität und Verletzlichkeit können nicht einfach weggeschoben werden und damit
verschwinden, sie müssen auf etwas anderes übertragen werden, auf ein zweites Subjekt. Die
Frau.
Die erste und häufig einzige Erfahrung die Männer mit Eigenschaften, wie Fürsorge und
Zärtlichkeit machen, ist in der Beziehung zu ihrer Mutter. Dieses Bild der Mütterlichkeit überträgtder Mann auf Frauen im Allgemeinen. Der Kapitalismus macht sich dies zu nutzen, eben weil er
den benötigten Mehrwert nur durch die Ausbeutung von Arbeitern und Arbeiterinnen erzielen
kann.
Die Frau wird zur Produktionsstätte der benötigten Arbeiter der Kapitalakkumulation, denn ohne
sie funktioniert das System nicht.
Aber auch der Wirtschaftsbereich der Care-Arbeit stützt sich auf die Stereotype der weiblichen
Fürsorglichkeit. Care-Arbeiten benötigen eine Beziehung zwischen zwei Subjekten, anders als im
normalen Arbeitsprozess, in dem es eine Beziehung zwischen Subjekt und Objekt gibt.
Die Profitgewinnung in dem Arbeitsbereich der Care-Arbeit stößt jedoch auf Grenzen. Es ist
schwer möglich die zeitliche Effizienz zu steigern, wie z.b. durch Maschinen oder eine Teilung der
Arbeitsschritte.
Möchte eine 3. Instanz dennoch Profit in diesem Bereich erwirtschaften, kann dies nur durch eine
größere Ausbeutung der Arbeitskraft funktionieren.
Wir können uns in unserem Kampf gegen diese Ausbeutung und Unterdrückung nicht auf den
Staat verlassen, denn er ist Teil des Problems und profitiert von unserer Unterdrückung. Staat und
Kapital stehen in einer gegenseitigen Abhängigkeit voneinander.
Der Staat braucht das Kapital eines Landes um sich in der der Weltmarktkonkurrenz gegen
andere Nationen behaupten zu können. Das Kapital braucht den Staat um Gesetze zu erlassen,
die sein Fortbestand sichern und diese mit exekutiver Gewalt durchzusetzen, so zum Beispiel die
Abtreibungsgesetze. Man bezeichnet diese Abhängigkeit indem man den Staat analytisch als den
Ideellen Gesamtkapitalisten fasst. Der Staat garantiert nicht das überleben einzelner
Unternehmen, sondern das Überleben der gesamten kapitalistischen Ordnung.
In der breiten Gesellschaft heißt es oft, dass wir die Gleichstellung von Frau und Mann schon
längst erreicht haben. Solange Frauen jedoch zu jeder Tageszeit Angst vor sexuellen Übergriffen
haben müssen, solange in Deutschland alle 3min eine Frau vergewaltigt wird, solange Frauen im
Durchschnitt weniger Gehalt bekommen und solange der Körper der Frau als Mutter, Prostituierte,
Arbeiterin oder Masturbationsgegenstand ausgebeutet und missbraucht wird ist die Rede von
einer scheinbar erreichten Gleichstellung nur ein weiterer Unterdrückungsmechanismus um
unseren feministischen Kampf einzudämmen.
Eben weil die Wirtschaftsweisen einer Gesellschaft aufs Engste mit den Lebensweisen der
Menschen verknüpft sind, müssen wir anfangen den feministischen Kampf auch als einen
antikapitalistischen zu verstehen. Wenn wir also von unserem Recht auf Abtreibung sprechen,
dann müssen wir mit der einfältigen Sichtweise des Feminismus brechen, die uns erzählen will,
dass wir in diesem System unsere Befreiung erkämpfen können; Unsere Befreiung fängt genau
dann an wenn dieses System endet.
Organisiert euch, lernt wieder schwesterlich miteinander zu streiten, dass wir es endlich schaffen
dieses System der Ausbeutung und Unterdrückung aus den Angeln zu heben! Für den
Kommunismus und für eine tatsächliche Selbstbestimmung der Frau!